Ankara – Der Tiefpunkt ist erreicht!

Endlich bin ich in Ankara angekommen und dort habe ich es mir im Deeps Hostel, mitten in der Stadt gemütlich gemacht. Neben vielen anderen Menschen traf ich wieder einen, der mir besonders ans Herz gewachsen ist. Joe aus England, der mit dem Daumen um die Weltgeschichte tourt und jetzt schon viel weiter ist wie ich.

Deeps Hostel inmitten der Stadt

Nach der Ankunft ging es am nächsten Tag direkt zu einem Radladen, der auf Reiseräder spezialisiert war. Aber es kam wie es kommen musste und dieser hatte geschlossen.

Also ging es weiter zum nächsten. Der hatte zwar die passenden Reifen nicht parat und genau die, die ich wollte, konnte er nicht bestellen. Aber bevor ich noch ewig durch Ankara rumdüse, nehme ich lieber einfache Schwalbe Marathon, ohne das Präfix “Tour”. Auf der Rückfahrt war ich dann noch in weiteren Läden, aber keiner konnte mir einen besseren Deal machen. 

Eigentlich sollte der Reifen zwei Tage später, an einem Freitag, ankommen. Wie man sich natürlich denken kann, wurde das nichts und es verschob sich letztendlich auf Dienstag. Wer jetzt hier schöne Sightseeing Pictures aus Ankara erwartet, dem muss ich leider sagen, gibt es nicht. Ich war irgendwie so in einem Buch, der Light Novel, “The wandering Inn” vertieft, dass ich wenig andere Interessen hatte. Ich bin zwar mit dem Fahrrad noch an einigen Spots vorbei gefahren, war davon aber nicht so begeistert.

Nachdem der Reifen endlich ankam, ging es endlich weiter. Die schlechte Laune war wie weggeblasen und als Route ging es natürlich wieder abseits der eigentlichen und bekannten Straßen entlang. So verließ ich Ankara über Yakupabdal, um hoch auf den Elma Dagi zu fahren, wo ich dann auch mein Zelt aufschlug. Der Platz war zwar beschissen für das Zelt, aber dafür war die Aussicht auf Ankara echt sensationell.

Blick auf Ankara von Yakupadbal
Auf dem Elma Dagi

Nach einer stürmischen Nacht ging es dann auf Landstraßen weiter, bis nach Süleymanli, wo ich wieder Richtung Hauptstraße abbiegen musste, da ich ansonsten zu weit von meinem nächsten Ziel, Aksaray und dem Hasan Dagi, entfernen würde.

Als ich dann schließlich den Aufstieg nach Bala hoch trampelte, fiel mir ein komisches Knacken auf. Fahrräder machen zwar des Öfteren komische Geräusche, dieses war mir aber neu. Nach einer schnellen Inspektion habe ich nichts gefunden und dachte mir, das legt sich wieder.

Noch glücklich den Summit erreicht

Kurze Zeit später, ich war gerade wieder auf einer kleinen Landstraße, kurz vor Sirapinar, machte es bei einem kleinen Anstieg einen lauten Knall und meine Pedale drehten durch. Erster Gedanke: Kette – kein Problem, hab ja Ersatz dabei. Aber nein, es war nicht die Kette, sondern das Tretlager Das war aufgebrochen und das innenliegende Kugellager nach außen verteilt. An weiterfahren war also nicht mehr zu denken. 

Bevor ich einen Anfall kriegen konnte, schaffte ich es nochmal tief ein und auszuatmen und alle negativen Gefühle runter zu schlucken. Ich musste einen Plan machen, wie es jetzt weitergeht. Nachdem ich gerade eben an einem Feldweg vorbei gefahren bin, wo ein großer Baum stand, entschied ich mich dazu, das Tretlager dort im Schatten zu demontieren und zu schauen, ob ich vielleicht ein Provisorium hinbekomme. 

Erzwungenes aber schön ruhiges Nachtlager
Bei dem Bild muss ich schon wieder ganz tief durchatmen

Keine Chance. Ich habe zwar das Kugellager wieder einigermaßen zusammenfriemeln können, aber ich schaffte es nicht, es abzudichten. Ich hatte zwar die geringe Hoffnung, dass es auch so hält, aber die war nur minimal. 

Als nächstes hieß es zu schauen, von wo ich Ersatz her bekomme und wo ich bis dahin bleibe. Das Problem an der Türkei ist hierbei, dass man online außerhalb der großen Städte nichts findet. Ich könnte natürlich mit dem Rad von Dorf zu Dorf ziehen und hoffen, ein Hotel oder ähnliches zu finden, aber ich wollte dann doch lieber den sicheren Weg nehmen. Also standen drei Möglichkeiten zur Auswahl. Weiter nach Aksaray, was aber mit 180km die weiteste Entfernung ist. Kirikkale, was ungefähr so weit weg ist wie Ankara, aber da liegen mehr Höhenmeter dazwischen. Und letztendlich Ankara, das 80km entfernt liegt und wo ich auf relativ flacher Strecke hinkomme…. 

Also zurück nach Ankara… schieben… 80km….

“Wenigstens kann ich bergab rollen” Zischte ich innerlich, während ich das Zelt unterm Baum aufbaute.

Der Beginn von 80km Schieben, was für ein Tortur

Um es kurz zu machen, denn die lange Variante möchte ich euch ersparen, kam ich irgendwann, mit schmerzenden Füßen und total entnervt, wieder in Ankara an.

Natürlich war das Hostel schon vollkommen belegt, aber das wusste ich schon vorher. Als Alternative ging es deshalb dieses Mal in ein äußerst günstiges Hotel, dem Santal Otel. 

Auf jeden Fall musste ich mich jetzt daran machen, ein neues Tretlager zu bestellen. Dank freundlicher Mithilfe von Kollegen aus dem Discord, konnte ich mich auch für ein passendes entscheiden und nun ging es nur noch darum, zehn Tage auf die Lieferung zu warten. Zehn Tage? Toll, da hast du sicherlich Zeit gehabt, nochmal Ankara unsicher zu machen – Kurze Antwort: Nein! Ich saß aufm Klo.

Ich war gerade am zweiten Tag im Hotel, da ging es schon los. Der Magen fing auf einmal das Murren an und ehe ich mich versah, landete etwas in der Hose. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Es wurde auch lange Zeit nicht besser und gleichzeitig musste ich ständig aufstoßen. Die Diagnose lautet letztendlich Giardiasis.

Die ersten Tage hoffte ich noch, das geht von alleine wieder weg, aber keine Chance. Außer zum Einkaufen und zum Frühstück verließ ich das Zimmer nicht mehr, zu groß war die Gefahr, plötzlich breitbeinig wie ein Cowboy zurück zu laufen. 

Am dritten Tag fing ich dann an Medikamente gegen Durchfall zu nehmen, aber auch das blieb ohne Erfolg. Schließlich stand der Tag vor der Tür, an dem endlich das Tretlager kommen sollte, aber in meinem Zustand war an Radfahren nicht zu denken und ich hatte schon Wahnvorstellungen von Krankenhausaufenthalten. Darum gab es einen Tag Verlängerung im Hotel, zusammen mit einer wundervollen Breitspektrum-Antibiotikum-Eintages-Kur und was soll ich noch dazu sagen. Am nächsten Tag war mir zwar etwas schummrig und der Stuhl war noch nicht so, wie er sein sollte. Aber er kam zumindest nicht mehr wie im Sturzbach. 

Also ein klares Go!

Defektes Tretager
Gefixt 😉

Nachdem ich das Tretlager gewechselt hatte, wollte ich auch gleich wieder weiter, wurde aber vom Hotelbesitzer zum Abschied noch zu einem Tee eingeladen, was ich aber verneinte. Ich musste unbedingt wieder auf die Straße. Und aus diesem Grund ging es diesmal auch direkt der Hauptstraße entlang.

An diesem Tag kam ich voller Elan noch gut 100 km weit, schlug mein Zelt neben der Hauptstraße auf und wurde am nächsten Morgen von einem wunderschönen Sonnenaufgang begrüßt.

Die Sonne versprach Abends, wie auch Morgen nur Gutes

An einem Rastplatz für LKW setzte ich mich auf eine Bank um zu frühstücken und wurde kurze Zeit später von einem Polizisten besucht. Da ich die Tage zuvor schon so viel Glück hatte, war ich äußerst misstrauisch, was aber unbegründet war. 

Nach einem netten, wenn auch kurzen und brüchigen Gespräch, fragte er mich, ob ich einen Tee wollen würde. Da es relativ kalt war, sagte ich natürlich nicht nein. So gab er mir zu verstehen, dass ich zum Haus gegenüber laufen, eine Polizeistation der Verkehrspolizei, und dort einfach nach einem Tee fragen kann. Gesagt, getan, stellte sich kurze Zeit später heraus, man hatte mich schon erwartet.

Ich war die ganze Zeit auf Kamera zu sehen und selbst der Polizist am Rastplatz, wurde von dort aus zu mir geschickt. So wurde ich von ganz lieben Beamten mir viel Tee, Kaffee und Baklava verwöhnt und man wollte mich schon gar nicht mehr losfahren lassen. Aber ich bin glücklicherweise den Handschellen entkommen.

Bei der Polizei

Als nächstes Zwischenziel auf der Karte kam der große türkische Salzsee, Tuz Gölü, der fast ausgetrocknet ist, da der einzige Zufluss für landwirtschaftliche Zwecke abgezweigt wird. Änderte aber nichts daran, dass ich am dortigen Touristenspot anhielt und ebenfalls ein Foto machte.

Als ich dann in der nächsten Stadt, Sereflikochisar ankam und mein Magen soweit gut mitgespielt hat. Gab es endlich mal wieder was ordentliches zu essen, Pizza! 

Tuz Gölü, ganz schön öde im Salz
PIZZA!!!

Gleichzeitig flirtete ich ein wenig mit der netten Bedienung, die auch gerne mitspielte und mich lächelnd mit: “Auf Wiedersehen, kommen wieder” verabschiedete. Ich lächelte, sagte tschüss und kam natürlich nicht wieder, ich dachte nicht mal daran 😄

Als ich schließlich am nächsten Ausläufer des Sees vorbei fuhr, merkte ich, dass der Hinterreifen dabei ist, Luft zu verlieren. Damit wollte ich aber an diesem Tag nichts mehr zu tun haben und bog schnell auf einem Trampelpfad zum Ufer ab, wo ich auch direkt mein Zelt aufschlug und die Aussicht genoss. 

Man sieht es vielleicht auf den Bildern nicht so gut, aber an den Stellen, wo der See noch Wasser geführt hat, war die Spiegelung des Himmels so klar, dass man keinen Horizont mehr erkennen konnte und Berge in der Luft schwebten.

Schwebender Horizont

Nach einem wunderschönen Sonnenuntergang, legte ich mich dann auch schlafen und wusste genau, morgen früh ist Schlauch flicken angesagt.

Da ich auch am nächsten Morgen nicht unbedingt Lust hatte, machte ich dieses Mal noch ein sehr gemütliches Frühstück. Es änderte aber nichts daran, dass der Schlauch wartete.

Wunderschönes Abendrot

Also wie im Lehrbuch: Reifen nach dem Culprit absuchen, gleich finden und entfernen. Davor die Stelle markieren, damit ich das Loch am Schlauch auch gleich finde. Den Reifen halb abmachen, den Schlauch etwas aufpumpen, damit ich leichter das Loch finde. Loch flicken, kurz warten und Reifen wieder montieren. Anschließend aufpumpen und plötzlich zwei Teile einer Pumpe in der Hand halten…

Meine Pumpe hatte sich in diesem Moment, aus mir unerfindlichen Gründen, in zwei Teile zerlegt und ließ sich auch nicht mehr reparieren. 

Ich muss ehrlich sagen, JETZT ist mir wirklich die Hutschnur gerissen. Unter lautem Geschrei trampelte ich wie ein Irrer erst mal auf der Pumpe rum, bis ich die verbliebenen Stücke verbeultes Aluminium durch die Gegend warf. 

Ich war mit den Nerven echt am Ende.

Kleinlaut die Teile wieder eingesammelt, machte ich mich dann, wieder mal auf schiebender Weise, auf den Weg nach Aksaray. 

Der Eindringling, der mich erst mal nicht sonderlich gestört hat

Kaum war ich auf der Straße, hielt 200m vor mir ein Auto an, stellte schnell ein paar Wasserflaschen für mich auf den Seitenstreifen und fuhr auch gleich weiter. Und in dem Moment wo ich dort angekommen bin, hielt auf einmal ein Transporter an, machte den Kofferraum auf und lud mich und mein Fahrrad mit ein und nahm mich mit bis nach Aksaray. 

Ich war fertig