Gastfreundschaft rettet die Laune

Wie gesagt, endete der letzte Bericht mit einem Knall. Mit einem Schlag war der Reifen platt. Damit hätte ich im Normalfall auch kein Problem gehabt, geflickt ist sowas ja schnell. Aber nein, so einfach war es nicht. Der Reifen selbst war aufgerissen und das genau an der äußeren Kante. Lamentieren nützte nichts, also ran an den Speck. Den Schlauch flicken, die Bremsen, die den Schlauch sonst wieder aufgerissen hätten halb demontieren und weiter gehts.

Reifen aufgerissen und noch gelacht

Keine 100m weiter kam mir ein Motorradfahrer entgegen, hielt an und lud mich zu ihm nach Hause nach Beypazari ein. Das Fahrrad provisorisch geflickt, schon 90km an dem Tag geradelt und gerade am See angekommen, wo ich eigentlich übernachten wollte, hatte ich eigentlich keine Lust mehr, weitere 30km zu fahren. Aber mein Gönner war ein solch netter und humorvoller Mensch, dass ich nicht anders konnte, als ja zu sagen.

Als es weiterging, kam ich direkt am Vogelpark Kus Cenneti, einem unglaublich wunderschönen grünen Flecken Land, inmitten der kargen Landschaft vorbei.

Kus Cenneti, die Oase in der Wüste
So schlimm wie es aussah, war es auch!

Weniger schön war mein Reifen. Der Schlauch drückte sich immer weiter nach außen und mir wurde immer schmerzhafter bewusst, arg viel länger wird das nichts und dabei hatte ich gerade mal einen Kilometer von 30 geschafft. Also entschied ich mich dafür, heute doch am See zu übernachten.

Nachdem ich in Cayirhan noch schnell einkaufen war, wollte ich zum See. Aber am Ufer der Ortschaft selbst war alles bebaut und ich fand auf die Schnelle keinen Platz fürs Zelt. Meinen Traum vom See aufgegeben, baute ich mein Zelt abseits der Hauptstraße, direkt gegenüber einer Fabrik auf und flickte dort meinen Reifen, in der Hoffnung, dass er mich zumindest noch bis nach Ankara bringt.

Der Plan war am See zu übernachten…
Mit viel arbeit geflickt, nach 5km schon wieder zertstört.

Die Hoffnung war vergebens. Kaum bin ich am nächsten Morgen losgefahren – ich hatte keine fünf Kilometer geschafft – knallte es wieder. Es war einfach zu wenig Fleisch am Reifen um die Naht zu halten und sie brach aus. Also schob ich meinen Bock die restlichen 25 km bis nach Beypazari, wo mich Mohammed schon sehnsüchtig erwartete und mich dann auch zu einem herzhaften Essen einlud. 

Anschließend fuhren wir, dieses Mal motorisiert, in die Stadt und fanden einen Ramschladen, der auch Fahrradreifen hatte. Zwar keine Markenprodukte, aber ein 5€ 26” Kindermountainbikereifen sollte zumindest bis Ankara halten. Nach einem Tee gab es noch eine Tour durch die schöne, osmanische Altstadt und zurück zuhause wartete eine bequeme Couch auf mich.

Meine beiden Gastgeber

Der Abschied am nächsten Morgen fiel mir schwer, hatte ich doch einen wirklich wundervollen Gastgeber und Menschen gefunden. Nachdem wir uns verabschiedeten, machte ich mich daran, den Reifen zu wechseln. Zwar passte er und ließ sich ohne Probleme montieren, jedoch war Fahren eine komplett andere Sache. Sagen wir mal so, das Experiment ist mit viel Glück geglückt. 

Für ein solches Gewicht nicht ausgelegt, konnte ich zwar problemlos geradeaus fahren, aber sobald es darum ging, Gewicht zu verlagern, wie es in Kurven nötig ist, drückte es den Reifen seitlich weg und ich hatte gefühlt keine Kontrolle mehr. 

Eine Schlucht auf dem Weg zu Güdül

Jeder normale Mensch wäre wahrscheinlich auf der kürzesten und einfachsten Strecke nach Ankara gefahren, aber solche Sachen mache ich natürlich nicht. Anstatt also direkt über Ayas, führte mich meine Route über eine wunderschöne Berg- und Talstrecke durch Güdül, Turnalı, Kahramankazan und Kiliclar. Dabei ist mir Güdül hier am meisten in Erinnerung geblieben, nicht wegen der Landschaft, sondern wegen der Soundkulisse. 

Ich hatte mein Zelt, direkt östlich der Stadt, auf einer recht ordentlichen Anhöhe aufgebaut. Dabei war ich immer noch in einer Art Außenbezirk des Dorfes, da es noch vereinzelt Häuser und eine Moschee gab. Und es ergab sich, dass Abends der Muezzin mit seinem Gesang einsetzte und dabei schon zu den wenigen Ausnahmen gehörte, die wirklich singen können. Aber nicht nur das, sondern der Gesang hallte von der Bergwand wieder und im nächsten Moment erklang der Gesang des eben gleichen Muezzins aus der Moschee im Tal und auch dieser hallte, in fast perfektem Abstand eines Kanons, von der Bergwand wieder.