Von Freunden, Bären und einem Dummen Baum!

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Eine schöne Woche in Erzincan ging zu Ende, auch wenn leider nicht alles klappte wie gedacht. Die Hoffnung, meinen Freund Mert zu treffen, fiel ins Wasser, da die Universität aufgrund des Erdbebens noch geschlossen war und er die Zeit bei seiner Familie in Antalya verbrachte.

Bei der Ersatzteilsuche sah es besser aus, wenn auch nicht perfekt. Derzeit fehlen mir noch Ersatzreifen und Kettenblätter. Es gab nur komplette Garnituren zu bestellen, was mir aber zu teuer war. Da die gewünschten Reifen nicht lieferbar waren, klapperte ich nach und nach die Händler vor Ort ab – leider ohne Erfolg: Weder vorrätig noch bestellbar. Für eine Online-Bestellung war es mittlerweile zu spät, da die Lieferzeiten einfach zu lang gewesen wären.

Dennoch gab es auch hier wieder eine Überraschung: Jin, den ich in Tiflis im Suzy Hostel kennengelernt hatte, war ausgerechnet auch in Erzincan! Er ist ein reisender Künstler und seine Freundin lebt hier, was ich gar nicht wusste. Wir sind uns zufällig begegnet, als ich gerade durch die Fußgängerzone auf der Suche nach einem Bikeshop war. Wir verbrachten zwei Tage zusammen in der Stadt und feierten sogar seinen Geburtstag. Es war wirklich eine schöne Zeit und ein toller Zufall.

Irgendwann musste ich aber aufbrechen. Ich wusste: So viele Berge kommen nicht mehr. Nach der nächsten Bergkette geht es fast nur noch bergab bis in den Irak.

Der Neustart der Tour begann allerdings gleich mit einem der peinlichsten Momente der bisherigen Reise. Als ich an der letzten roten Ampel in Erzincan ankam, wollte ich ganz lässig mit dem Fuß auf dem Bordstein anhalten. Natürlich schaute ich nicht richtig hin, trat ins Leere, kippte langsam und unaufhaltsam unter das Fahrrad und riss mir das Schienbein am Bordstein auf. Ein perfekter Start, würde ich sagen.

Als Nächstes fiel mir auf, dass ich schon wieder Gegenwind hatte. Viermal bin ich bisher rein nach oder raus aus Erzincan gefahren und jedes Mal hatte ich Gegenwind. Zum Glück bog ich nach 20 km rechts auf den Weg in die Berge ab, wo es windstill war. Dafür war das erste Straßenschild, das ich sah, eine Bärenwarnung. Meine Hoffnung, dass sie sich noch im Winterschlaf befinden, zerschlug sich schnell, wenn ich den Spuren im Schnee glauben durfte.

Der Aufstieg zum Pülümür-Pass war die erste schwere Etappe seit Langem, mit richtig steilen und langen Passagen. Ich merkte zu diesem Zeitpunkt, dass sich eine Erkältung anbahnte: Ständiges Husten, Schwächegefühl und schwere Atmung waren deutliche Anzeichen. Umso froher war ich, als ich oben ankam und die Aussicht wirklich belohnend war. Auf dem Tacho standen schon 70 km und es fing langsam an zu dämmern. Das Problem: Das Pülümür-Tal, in das ich nun fuhr, war sehr schmal und völlig zugeschneit. So machte ich die 100 km noch voll, bevor ich endlich einen ganz speziellen Platz für das Zelt fand: Direkt am Fluss, unter einem großen Felsen auf einer Betonplatte zwischen alten Angelhaken. Angekommen hatte ich weder die Kraft noch die Nerven, mich um Essen oder Social Media zu kümmern. Ich rieb meine Brust noch schnell mit Tiger Balm ein und fiel sofort in einen tiefen, langen Schlaf.

Nachdem ich es geschafft hatte, 13 Stunden durchzuschlafen, wachte ich wieder recht munter auf. Von der Erkältung war bis auf eine gewisse Schwäche in den Beinen nichts mehr zu spüren. Mein Weg führte mich zunächst durch das wunderschöne Pülümür-Tal. Am liebsten hätte ich mich in das türkisblaue Wasser geschmissen, wäre es nicht so kalt gewesen. Da die Route immer weiter südlich und bergab führte, wurde es zusehends wärmer. Das freute mich sehr – bis mir die ersten Fliegen in Auge und Mund flogen.

Kurz nach Tunceli, wo ich von Polizisten zum Tee eingeladen wurde, sah ich unter einer Brücke einen interessanten Baum, der sich als Fotomotiv gut machen würde. Beim Weg über das Geröll nach unten verdrehte ich mir jedoch das Knie. Zu allem Übel war der Baum aus der Nähe nicht ansatzweise so lohnenswert, wie er von oben ausgesehen hatte. An diesem Tag ging dementsprechend nicht mehr viel, ich wollte mein schmerzendes Knie schonen.

Der nächste Tag war eher eine Qual. Ich hatte keine große Lust, Bilder zu machen, denn es ging unter Schmerzen den ganzen Tag nur bergauf und wieder bergab. Ich schaffte es dennoch bis zu einer kleinen Ortschaft namens Keseköprü, wo ich einen traumhaften Zeltplatz mit Aussicht auf Berge und Fluss fand. Hier gönnte ich mir das volle Programm, um für den nächsten Tag wieder fit zu sein: Tiger Balm für die Nacht, Paracetamol und Schmerzgel für den Tag und Snickers für die Moral.

Der Sonnenaufgang aus dem Zelt, zusammen mit einem frischen Espresso am nächsten Morgen war wunderschön. Und meine Kur schien gewirkt zu haben! Das Knie machte keine Probleme mehr, was auch gut war, standen doch heute knapp 2.000 Höhenmeter auf dem Programm. Ich hätte eine alternative Route mit weniger Höhenmetern wählen können, die dafür aber dreimal so lang gewesen wäre. Rein von der Aussicht habe ich die Entscheidung für die Berge nicht bereut, aber ich muss zugeben: Die Strecke war extrem anstrengend. Dennoch hat mein Knie bis 15 Uhr mitgemacht, danach musste ich immer wieder kleinere Pausen einlegen. Aber ich habe es geschafft! Heute gibt es noch einmal die Spezial-Kur mit einer extra Portion Snickers, und morgen geht’s wieder weiter.


Und glücklicherweise sollte es ab jetzt nur noch bergab gehen – Hooray!