In Bulgarien ging es schließlich auf dem EuroVelo 13, einem Radfernweg durch Europa, weiter bis in die Türkei. In meiner Naivität dachte ich zu Beginn noch, dass diese genormten Radwege eher was für den gemütlichen Typus Radler sind, die in Tälern entlang fahren und wo bei 5% Steigung schon die Grenze erreicht ist. Bei meinem Einstieg auf die Strecke wurde ich in dieser Vermutung auch noch verstärkt, als es durch Petrich bis nach Marinopole ging, bis langsam die Höhenmeter anfingen. Aber noch war alles in Ordnung und ich genoss das tolle Wetter, die guten Straßen, die leichte, angenehme Steigung sowie die Schildkröten, die immer wieder über die Straße krochen.
Das erste Mal misstrauisch wurde ich schließlich in Petrovo, wo ich beim Einkaufen angesprochen wurde und ich bei der folgenden Unterhaltung gefragt wurde, ob ich wirklich sicher bin, diese Route fahren zu wollen. Ich winkte natürlich ab, schließlich ist dies ja eine für Radtouristen ausgezeichnete Strecke des Europäischen Radfahrer Verbandes – was sollte also schief gehen?
Nach einem etwas versteckten Einstieg in die nächste Etappe, ging es nun auf einem einspurigen, aber immer noch asphaltierten Weg weiter, mit weiterhin gemütlicher Steigung, in einem idyllischen Wald, mit einem kleinen Bach auf der rechten und einem steilen Anstieg auf der linken Seite weiter. Ich kam etwas später auf einer freie Ebene, mit einem verlassen anmutenden Fabrikgelände an, wo plötzlich eine Meute wirklich aggressiver Hunde auf mich zustürmte und ich auch im Nachhinein immer noch denke, wenn da nicht zufälligerweise der Wachmann diese zurückgepfiffen hätte, wär meine Wade jetzt ein Pfund leichter.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem Wachmann, der zwar kein Englisch verstand, mit dem ich mich aber mit Händen und Füßen so weit unterhalten konnte, dass man den Sinn verstehen konnte, ging es wieder etwas mulmiger weiter. Er schien mir sagen zu wollen, dass die Route mit dem Fahrrad eine schlechte Idee sei. Aber ich lass mir hier doch nichts sagen, ist ja der EuroVelo!
Nach einer kurzen Mittagspause einige Meter weiter, kam ich in Goleshovo an und langsam begann ich zu verstehen, warum die Leute mich gewarnt haben und dies nicht nur, weil die Ortschaft mich an billige Horrorfilme erinnert hat.
Hatte ich bis zur Ortschaft noch schönen Teer unter meinen Reifen, begann hier plötzlich ein Schotterweg, der noch leicht zu bewältigen war. Als ich die Ortschaft aber hinter mir gelassen hatte, waren es keine kleinen Schottersteine mehr, sondern eine Art Pflasterstraße, aber aus nur noch vereinzelten, großen, runden Steinen, was fast nicht mehr befahrbar war – Hier war auch der erste und nicht letzte Moment, wo ich auf mehreren Kartenapps nachschaute, ob das hier auch wirklich noch der EuroVelo bin und ich mich nicht völlig verfahren habe.
Natürlich ging die Straße nicht so weiter, oder wurde gar besser, sonder das genaue Gegenteil wurde der Fall. Der Weg wurde zunehmend immer steiler und auch wenn die Straßenoberfläche abschnittsweise echt besser wurde, wurde es im Gesamten zu einer wirklichen Tortur.
Aus den kruden Pflastersteinen wurde schließlich ein ausgewaschener Erdweg, mit 30cm tiefen Rinnsalen und umgestürzten Bäumen, so dass es eine Mischung aus schieben, abpacken, herumheben und wieder aufpacken wurde. Und was kam als nächstes? Es wurde mit feinem Sand als Straßenbelag noch besser. Meter für Meter war eine echte Qual, als sich die Reifen soweit eingruben, dass selbst das Ventil unter dem Sand verschwunden war. Zusätzlich war der Weg gesäumt von Kühen, Kälbern und vereinzelten Hunden, denen ich auch nicht näher als auf Armeslänge kommen wollte, auch wenn es nicht immer geklappt hat.
Am Ende war ich wirklich froh, als ich endlich den Summit erreicht hatte und es einfach nur noch bergab ging, wenn hier auch weiterhin an aufsitzen und fahren nicht mal zu denken war. Die Chance ergab sich erst einige Kilometer später, als ich durch Nova Lovcha durch war und endlich wieder Teer unter meinen Füßen und Reifen hatte.
Auch wenn ich nicht so viele Kilometer an dem Tag geschafft hatte, war ich dennoch ziemlich fertig und auch mein Eindruck von EuroVelo Radwegen hat sich stark verändert. Auch wenn es im Nachhinein eine tolle Strecke war, die sicherlich nicht so schnell vergessen werden würde, kam das beste Erlebnis des Tages erst noch.
Kurz vor dem von mir selbst ausgemachten Ziel als ungefähren Lage für den Campspot, hielt plötzlich ein Auto mit dem Typen an, der mich Kilometer vorher noch vor der Strecke gewarnt hatte, und drückte mir lachend zwei Bier in die Hand. So nahm der Tag auch noch ein wirklich tolles Ende, zusammen mit einer ebenso tollen Aussicht.