Wie im letzten Bericht beendet, ging es weiter Richtung Autobahn und Albanien. Von Prizren zur albanischen Grenze gibt es im Grunde drei Wege. Die Landstraße, die an der Grenze zu einer Autobahn wird. Weiter nördlich ein Übergang, der aber einen riesigen Umweg bedeutet und südlich davon, einen Aufstieg auf 1900m, mit Flussüberquerungen und viel Geröll – kein Wunder also, dass ich mich auf den Weg zur Autobahn gemacht hab.
Eigentlich dachte ich schon, dass ich spätestens am Grenzübergang, vom Grenzposten wieder zurückgeschickt werde, aber das war nicht so. Dieser war sogar richtig nett und hat mich direkt nach vorne gewunken, sich lange mit mir unterhalten und mir eine schöne Reise und Aufenthalt in Albanien gewünscht. So hatte ich die leichte Hoffnung, dass in Albanien Radfahrer auf der Autobahn erlaubt sind, wäre ich nicht 100m später an einem großen Schild vorbeigefahren, bei dem eindeutig ein durchgestrichener Radfahrer zu sehen war.
Also nochmal Karten studieren, vielleicht gibt es ja einen anderen Weg, zumindest von der nächsten Ausfahrt aus, aber keine Chance. Laut Mapy und Maps gibt es, außer der Autobahn, keine Verbindung zwischen den Ortschaften. Irgendwie konnte ich das nicht glauben und fuhr trotzdem die erste Abfahrt und das komplette, nächste Dorf ab. Lose Geröllwege, alles Sackgassen die nicht weiter führen und keine Möglichkeit, ohne Nutzung der Autobahn weiterzukommen. Also zurück auf die Autobahn und mich schon mental darauf vorbereiten, mich der Polizei zu stellen. Nach 20km Autobahn, ohne dass auch nur irgendwas vorgefallen ist außer Fußgänger und haltende Busse, konnte ich dann bei Kukes endlich runter. Auch wenn es in Albanien scheinbar normal ist, hatte ich dennoch ein komisches Gefühl im Magen.
In Kukes ging es dann erst mal zum Geldwechseln und zum Kauf einer riesigen Wassermelone für gerade mal 2€, die ich auch gleich zur Hälfte aufgegessen habe. Anschließend ging es am Flughafen vorbei und kurz darauf standen auch schon die nächsten Höhenmeter an, auf die ich bei der Hitze eigentlich keine Lust hatte. Aber es war erst kurz nach Mittag und an Feierabend war noch nicht zu denken.
Während ich mich so dahin quälte, hörte ich einen Ruf hinter mir ertönen und plötzlich wurde ich von einem anderen Reiseradler eingeholt. So lernte ich den Hans aus Österreich kennen, mit dem ich mich von Anfang an super verstanden habe und der mit Tirane, auch erst mal das gleiche Ziel wie ich hatte. So ging es dann zu zweit weiter, auch wenn er mich bergauf erst einmal gehörig abgehängt hat. Während es noch hoch ging und der Abstand immer größer wurde, war ich schon kurz davor, den Aufstieg abzubrechen. Einerseits wollte ich meinen neuen Gefährten nicht ausbremsen und andererseits war ich erschöpft und hatte für den Tag auch keine Lust mehr. Irgendwie hab ich mich dann aber dennoch durchgebissen und wir sind oben angekommen.
Oben ging es dann erst mal auf einen Espresso in ein Café, wo wir auch gleich von einem Local zu einem Bier eingeladen wurden. Dieser brauchte Hilfe mit einem Strafzettel, den er in Deutschland erhalten hat. Da er erst mal nicht mehr vor hatte zurück nach Deutschland zu fahren, sagten wir ihm einfach „Burn-It“
Anschließend gab es dann zwei Möglichkeiten weiter zu fahren. Der Hauptstraße entlang, oder einer Landstraße folgend, wieder runter ins Tal. Da wir unterschiedlicher Meinung waren und es schon spät wurde, haben wir die Entscheidung für den nächsten Tag aufgehoben und erst einmal das Nachtlager auf einer schönen, ebenen Wiese aufgeschlagen. Dort haben wir einen wundervollen Abend verbracht und bis in die Nacht gequatscht. Am nächsten Morgen war ich, wie üblich, schon wieder um fünf wach und habe auch gleich begonnen, vorm Zelt mein Tagebuch nachzutragen, sowie meine Hose zu nähen. Während dieser Arbeit kam vermehrtes Bellen immer näher, bis plötzlich eine Horde Schafe, inklusive Hirten und mehreren Hunden, vorbei um den Hügel und auf unsere Wiese abbog. Auch Hans wurde so schließlich wach, legte sich aber nochmal hin, bis die Action vorbei war. Es ist ja im Grunde auch nichts gewesen, außer dass einer der Hunde, ständig meine Powerbank anknabbern wollte
Nach einem guten Frühstück mit frischem Espresso ging es dann schließlich weiter. Die Landstraße, oder auch der lose Weg ins Tal, war schließlich der Konsens, auch wenn ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen nicht davon begeistert war.
Also ging es den Berg wieder runter, auf Schotterpiste, in dem Wissen, dass wir die Höhenmeter auch wieder hoch müssen und noch während der ersten Meter hatte ich es schon bereut, mich nicht durchgesetzt zu haben. Und was soll ich sagen, zum Glück habe ich mich nicht durchgesetzt!
Auch wenn es ein stetiges Auf und Ab war und die Piste etwas holprig, war es eigentlich immer angenehm zu fahren und die Aussicht und die Landschaft war einfach der Hammer. Unterwegs hatten wir auch noch andere Reisende getroffen, die aber alle motorisiert unterwegs waren. Mehrere österreichische und tschechische Motorradfahrer, ein österreichisches Pärchen im großen Expeditionsmobil, mit denen wir uns lange unterhalten haben und ein deutsches Pärchen im Camper. Bei der Frage, ob wir etwas brauchen, meinte ich, ein Bier wäre super, worauf der Mann ganz glücklich war, mir weiterhelfen zu können. Zur Klassifizierung: ein deutscher, mit einem Münchner Nummernschild gibt uns ein Bier aus, welches A: 0,33 ist, B: Holländisch und C: Alkoholfrei. Demnach sollte man sich nicht wundern, warum Franken immer noch der Meinung sind, keine Bayern zu sein.
So schön der Weg auch war, er wurde auch immer länger und schien kein Ende zu nehmen. Am Ende unserer beiden Kräfte und mit völlig ausgezehrten Nahrungsreserven sind wir dann in Arras angekommen, einem kleinen Dörfchen mit einem kleinen Markt, der jedoch geschlossen war, jedoch einem Restaurant, dass wir uns letztendlich auch verdient hatten. Eine riesige Portion Grillfleisch, einen Berg Pommes und bergeweise Salat zusammen mit Käse und jeweils 4 oder 5 eiskalten Getränken, für uns beide zusammen 23€. War zwar etwas über dem Budget, aber das war nach dem Tag auch nötig. Voll genährt und glücklich fanden wir kurz darauf auch einen Zeltplatz am Fluss, bei dem wir ein richtig lautes, wenn auch weniger tolles Quakkonzert der Frösche für die Nacht hatten.
Gut ausgeruht, ging es am nächsten Morgen weiter Richtung Hauptstraße. Bevor wir die fünf Kilometer bis dort geschafft hatten, wurden wir auch schon wieder auf je zwei Bierchen eingeladen, wo zumindest ich natürlich nicht nein sagen kann.
Bereits mittags in Peshkopi angekommen, wurden erst einmal Vorräte aufgefüllt, eine Kleinigkeit gegessen und ich versuchte weiterhin vergeblich, mein serbisches Geld umzutauschen. Etwas tolles, was ich in einer Bäckerei gefunden habe, war ein selbst abgefüllter Maistrunk. War total lecker, aber keine Ahnung was genau das war.
Als es wieder weiter und die Straße unaufhörlich auf und ab ging, stieg die Temperatur immer weiter. Glücklicherweise gibt es in Albanien genügend Flüsse, um sich mal abzukühlen.
Bei einem Kreisverkehr fiel mir plötzlich ein Schild auf: kostenloser Campingplatz namens Kulla Huppi. Kurz gegoogelt und zum Glück lag er genau auf dem Weg. Gerade in der Ortschaft angekommen, fuhr uns auch zufälligerweise der Besitzer vor der Nase rum und zeigte uns den Weg, der nochmal richtig, zum schieben steile Passagen hatte.
Der Campingplatz mit Hostel war richtig nice. Schönes uriges Gebäude, das auch toll restauriert wird, zusammen mit einer tollen Gartenanlage. Kosten fürs Campen sind umsonst, dafür Dusche 5€, Frühstück und Abendessen je 10€ und sollte man in Zimmern übernachten, gibt es das komplette Paket für 20€. Uns wurde das beim einchecken zwar etwas anders erklärt, oder wir hatten es anders verstanden, aber so ist es halt manchmal. Dennoch kann ich das Hostel/Campingplatz wirklich empfehlen.
Auch waren wir nicht die einzigen Gäste. Mit Marliese und Daniel war ein weiteres Radfahrerpärchen dabei. Diese waren auf einer vier Monate Radtour durch den Balkan. Beim gemeinsamen Abendessen kochen, hab ich mich dann auch gleich wieder mal angestellt wie der letzte Mensch. Erst wollte mein Benzinkocker nicht – die Pumpe baute keinen Druck auf. Und als ich dem Hans seinen Kocher zum Austausch genommen hatte und gerade das Nudelwasser abgießen wollte, fiel die Hälfte der Nudeln in den Fluss. Zu guter Letzt ist die zweite Hälfte der Nudeln auch noch angebrannt. Aber dennoch war es ein sehr schöner Abend zu viert, umringt von endlosen Massen von Glühwürmchen.
Nach einem sehr leckeren Frühstück und einem langgezogenen Abschied von den anderen Gästen, ging es dann weiter Richtung Tirana. Marliese hätte ich gerne länger dabei gehabt, da sie als Botanikerin weitaus mehr Ahnung von Pflanzen außerhalb Deutschlands (und innerhalb) hat als ich. Vorher haben wir noch erfahren, dass es eine nicht fertiggestellte Straße gibt, mit der sich einige Höhenmeter umgehen lassen.
Maulbeeren und Mirabellen zupfend und mampfend, ging es dann auf einer Holperstraße weiter. Auch wenn Höhenmeter gespart wurden, war es aufgrund der Beschaffenheit der Straße nicht immer angenehm und wir wurden ordentlich durchgeschüttelt. Dennoch war es wieder ein schöner Weg mitten durch die Natur und Abseits des Verkehrs. Irgendwann war die Umgehung aber vorbei und die Höhenmeter gingen los.
Anfangs war es noch gemütlich, auch wenn die Hitze mir ganz schön zu schaffen machte. Auf 900m Höhe war eine Baustelle, wo an einem Tunnel gearbeitet wurde, der die restlichen Höhenmeter umgangen hätte. Ich konnte nicht umhin einen Bauarbeiter zu fragen, ob der Tunnel mit dem Rad schon passierbar sei. Da hatten wir aber keine Chance, der Tunnel ist noch nicht mal mit der anderen Seite verbunden. So wurden die letzten 300m nochmal richtig steil und die Hitze dazu machte mir echt zu schaffen. Hans hingegen musste ständig auf mich warten, so dass ich mir schon langsam doof vorgekommen bin. Dennoch haben wir es dann gemeinsam bis zum Gipfel geschafft und anschließend begann endlich die lange und extrem holprige Abfahrt bis nach Tirane. Die Straßen in Albanien sind teilweise echt der Hammer
In der Hauptstadt angekommen, quartierten wir uns erst einmal zwei Tage im Bikebacker Hostel ein. Während Hans ein paar Sachen in der Stadt zu erledigen hatte, genoss ich meinem freien Tag, bearbeitete ein paar Bilder und updatete mein Reisetagebuch. Schließlich war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Während mein Weg weiter nach Sizilien führte, ging es für meinen lieb gewonnen Kameraden weiter nach Griechenland, der Küste entlang. Aber vielleicht treffen wir uns ja mal wieder, die Welt ist ja klein.
So führte mich mein nächster Weg nach Durres. Nicht nur war dies die Hafenstadt für meine Fähre nach Italien, auch war ich zum ersten Mal am Meer auf dieser Reise. Eigentlich wollte ich mich gleich in die Fluten stürzen, aber der Strand war mir zu voll, als dass ich dann noch richtig Lust darauf hatte.
Am Terminal angekommen stellte ich fest, dass ich viel zu früh war. Laut E-Mail sollte ich spätestens zwei Stunden vorm Boarding am Check-In sein, also war ich vier Stunden vorher da. Natürlich bekam ich mein Ticket erst frühestens in zwei Stunden. Aber so hatte ich wenigstens Zeit, mit „The Stand“ mein letztes analoges Buch zu Ende zu lesen.
Während der Wartezeit im Terminal hatte sich ein kleines Mädchen zum Betteln eingeschlichen, ist die Leute abgegangen und schließlich auch bei mir angekommen. Nach einem „Nein“ von mir bekam ich plötzlich einen gehörigen Schlag aufs Knie, was mich ganz schön erschreckt hat. Aber was will man machen…
Kurz darauf ging es ans Boarding. Mein Gott war das ein Chaos, da die Crew anscheinend mit meinem Fahrrad überfordert war. Erst sollte ich auf die rechte Seite ganz nach hinten, dann nach vorne, dann doch wieder nach hinten, zur Abwechslung mal auf die Linke Seite, bis ich schließlich die Schnauze voll hatte und das Bike einfach angebunden habe. Ein Matrose hat zwar nochmal gemeckert, ich sollte doch auf die andere Seite, aber der konnte mich dann mal.
Auf dem Schiff dauerte es dann noch etwas bis zur völlig verspäteten Abfahrt, aber da es eh über Nacht bis nach Bari ging, war mir das auch egal. So kam ich noch mal mit einem Deutschen mit albanischen Wurzeln ins Gespräch, der hier Urlaub gemacht hatte und der mich dann kurze Zeit später auf ein gutes Glas Whiskey einlud. Als es dann fast zwölf war, verabschiedete ich mich und suchte das Sonnendeck auf, wo ich mich in eine Sonnenliege legte und in Bella Italia wieder aufwachte.